2009

Stellungnahme Februar 2009

Stellungnahme zur Einrichtung einer zweiten Gesamtschule in der Stadt oder im Landkreis

Besteht Bedarf für weitere Gesamtschulen?
Im Landkreis Peine besteht dringender Bedarf an einer weiteren Gesamtschule. In dem laufenden Schuljahr gab es an der einzigen bestehenden Gesamtschule 194 Anmeldungen mehr als aufgenommen werden konnten. Das große Interesse an Gesamtschulen ist landesweit zu beobachten. In Umfragen sprechen sich mittlerweile weit mehr als 50% der befragten Eltern für die Einrichtung weiterer Gesamtschulen aus. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in anderen Bundesländern beobachten.

Wie kommt es, dass die Mehrheit der Eltern vom dreigliedrigen Schulsystem Abstand nimmt und für ihr Kind eine Gesamtschule wählen möchten?
Immer mehr Eltern empfinden es als zu früh, im Alter von 10 Jahren entscheiden zu müssen, ob ihr Kind eine Hauptschule, eine Realschule oder ein Gymnasium besuchen soll. Es herrscht große Unsicherheit. Wissenschaftliche Untersuchungen stützen diese Empfindungen. Eine Schullaufbahnempfehlung im Alter von 10 Jahren ist mit vielen Unsicherheitsfaktoren behaftet.
Hinzu kommt, dass das Abitur nach der 12. Klasse zu einer großen zeitlichen Beanspruchung vieler Gymnasiasten geführt hat. Selbst Eltern leistungsstarker Kinder möchten ihrem Kind ein Jahr mehr Zeit geben, wenn dadurch mehr freie Zeit fürs Kindsein - für Spielen, Verabredungen und Vereine - bleibt. Die Gesamtschule ist für den Weg zum Abitur nach 13 Jahren konzipiert.
Bestärkt fühlen sich viele Eltern in ihrer Ansicht durch die Ergebnisse der internationalen PISA-Studien. Sie haben die Richtigkeit des über Jahrzehnte vorgebrachten Arguments für eine frühzeitige Trennung, nämlich der bestmöglichen Förderung von leistungsstarken und leistungsschwachen Schülern, nicht bestätigen können.

Fordern Eltern weitere Gesamtschulen, weil ihnen die bisherigen Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien nicht zusagen?
Nein! Alle Schulen in Stadt und Landkreis Peine haben einen guten oder gar sehr guten Ruf. Ich kenne viele der Schulen aus eigener Erfahrung und weiß, dass die Arbeit der Lehrkräfte sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch von deren Eltern geschätzt wird. Es herrschte eine hohe Identifikation mit der jeweiligen Schule vor. Das ist ein deutliches Zeichnen für die Qualität der Schulen.
Eltern, die sich für eine Gesamtschule entscheiden, entscheiden sich i.d.R. nicht gegen eine bestehende Schule.  Sie entscheiden sich für ein längeres gemeinsames Lernen. Dieses ist für sie von zentraler Bedeutung. Sie wollen sichergestellt haben, dass ihr Kind mit Stärken im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich auf gymnasialem Niveau gefördert wird, gleichzeitig aber - wenn es Probleme im Fremdsprachenlernen hat - nicht massiv überfordert wird. Sie möchten, dass Freundschaften nicht auseinandergerissen werden, nur weil die Kinder unterschiedliche Leistungsstände oder Lerntempi haben.

An vielen Schulen in Niedersachsen wehren sich Lehrkräfte, teilweise auch Eltern und Schüler gegen die Umwandlung ihrer Schule in eine Gesamtschule. Warum?
Ich kann die Lehrkräfte, Schüler und Eltern der bestehenden Schulen gut verstehen. Die Lehrkräfte haben ihre Schule über Jahre, teilweise Jahrzehnte gestaltet und in und mit ihr gelebt. Da gibt es eine hohe Identifikation. Und das ist gut so! Es wäre doch schlimm, wenn Lehrkräfte keine emotionale Bindung zu ihrer Schule hätten. In ähnlicher Form gilt das auch für Schüler und Eltern. An einer guten Schule existiert ein hohes „Wir“-Gefühl.

Was wird mit den bestehenden Schülern der derzeitigen Haupt- und Realschule geschehen?
Es ist davon auszugehen, dass ein Standort, an dem sich derzeit eine Haupt- und eine Realschule befinden, in eine Gesamtschule umgewandelt wird. Für die derzeitigen Schüler wird sich kaum etwas ändern. Alle eingeschulten Schüler werden ihren Abschluss - sofern sie die Schule regulär durchlaufen - an ihrer Schule absolvieren. Es werden ab Sommer 2010 lediglich keine neuen Fünftklässler an dem neuen Gesamtschulstandort in die vorhandenen Schulen eingeschult.

Welchem Standort geben Sie die größten Chancen?
Der Landkreis bzw. die Fraktionen im Kreisrat haben m.E. einen sehr professionellen Weg der Standortfindung gewählt. Sie haben einen ausgewiesenen Experten beauftragt, u.a. Zahlenmaterial und Gebäudestruktur zu sichten, die einzelnen Standorte auf ihre Gesamtschultauglichkeit zu überprüfen und die Auswirkungen auf andere Standorte zu betrachten. Herr Uflerbäumer wird sein Gutachten am 19. Februar vorlegen.

Ist überhaupt Bedarf für eine Gesamtschule in Lengede?
Bereits heute gehen viele Kinder aus dem Gebiet Lengede zur Gesamtschule nach Vöhrum. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass weit mehr Eltern die Gesamtschule gewählt hätten, wenn sie von der Entfernung näher gewesen wäre.
Ich habe vor einiger Zeit mit den Grundschulleiterinnen im Gebiet Lengede gesprochen. Sie haben mir mitgeteilt, dass nach ihrem Eindruck eine deutliche Mehrheit der Eltern eine Gesamtschule in Lengede begrüßen würde.
Die Gesamtschulinitiative Lengede wurde von Eltern gerade deshalb gegründet, weil so viele Eltern den Wunsch haben, dass eine Gesamtschule vor Ort entsteht. Nach Angaben der Initiative haben sich bei einer Unterschriftenaktion mehr als 450 Eltern für die Gründung einer Gesamtschule in Lengede ausgesprochen. Das sind deutliche Zahlen mit einer deutlichen Aussage.
Eine Aussage übrigens, die auch von der Politik vor Ort aufgegriffen wurde. Hier gibt es einen parteiübergreifenden Konsens in dieser zentralen Bildungsfrage. Sowohl die SPD-Fraktion als auch die CDU/FDP-Fraktion im Rat der Gemeinde Lengede haben sich für eine Gesamtschule in Lengede ausgesprochen.

Jan-Peter Braun