Lernentwicklungsberichte (LEBs)

Was sind Lernentwicklungsberichte?

Die sogenannten Lernentwicklungsberichte – kurz LEBs – ersetzen in Gesamtschulen die Ziffernzeugnisse. Die Lernleistungen – heute spricht man von Kompetenzständen – werden an der IGS Lengede pro Fach auf einer DIN-A4-Seite dargestellt. Hinzu kommen eine Titelseite mit der Rückmeldung zum Arbeits- und Sozialverhalten sowie den Stärken des Schülers, eine Seite über die Arbeit während der mehrwöchigen Projektphasen sowie ein vom Schüler selbst geschriebener „Schülerbrief“. In dem Schülerbrief reflektieren die Kinder und Jugendlichen die Lehr- und Lernprozesse des vergangenen halben Jahres aus ihrer Sicht. Dazu gehört auch, dass sie schreiben was ihnen gut gefiel und was eher nicht.

Was wird den Schülern und Eltern zurückgemeldet?

In jedem Fach geben die Lehrer eine Rückmeldung über die Kompetenzstände durchschnittlich 15 unter-schiedlichen Bereichen pro Fach. So steht z.B. in dem Mathematik-LEB: „Du kannst Informationen nutzen, mathematische Probleme lösen und mit Hilfe eines Modells die Realität beschreiben“ oder „Du kannst im Kopf, halbschriftlich und schriftlich rechnen“, um nur zwei der aufgeführten Kompetenzen zu nennen. In Deutsch heißt es z.B. „Du kannst Sachverhalte wiedergeben und Vorträge gestalten“, in Sport „Du kannst Schwimmer, Tauchen und Wasserspringen“. Es gibt aber auch Rückmeldungen zu der Arbeit im Klassenunterricht, in Kleingruppen sowie in der Einzelarbeit sowie zum sogenannten Eigenverantwortlichen Lernen und zum Einhalten von Regeln.

Gibt es Unterschiede zwischen den Lernentwicklungsberichten der einzelnen Jahrgänge?

Die Kompetenzen sind so formuliert, dass sie die Kernelemente eines Faches – unabhängig von der Jahr-gangsstufe – umfassen. Eltern und Schüler erhalten zu diesen Kernelementen mit jedem Lernentwicklungsbericht eine Rückmeldung über den erreichten Lernstand. Der LEB in Jahrgang 5 sieht somit genauso aus wie der LEB in höheren Jahrgängen.
Natürlich erwarten wir von einem Zehntklässler mehr als von einem Fünftklässler. So sind wir z.B. im Be-reich Präsentieren zufrieden, wenn ein Fünftklässler ein Thema vor der Klasse in deutlicher Sprache und ohne vom Zettel abzulesen vortragen kann. In Jahrgang 10 sollte er dagegen einen Vortrag adressatenge-recht variieren können. Was wir genau in den einzelnen Jahrgangsstufen erwarten, haben wir in einem sogenannten Kompetenzraster dargestellt. Grundlagen bilden die die Kerncurricula des Kultusministeriums. So ein Kompetenzraster gibt es mittlerweile für alle zentralen Fächer.

Wie bilden Sie ab, ob das Kind ein Lernziel erreicht hat oder nicht bzw. in welchem Umfang?

Seit der PISA-Studie sowie seit den danach entwickelten Bildungsstandards und Kerncurricula – die die alten Lehrpläne ersetzt haben – spricht man im Bildungsbereich nicht mehr von Lernzielen sondern von Kompetenzen. Kompetenzen sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Schüler besitzen, um bestimmte fachspezifische und lebenspraktische Probleme in unterschiedlichen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll angehen und lösen zu können. Unsere Aufgabe als Schule ist es, diese Kompetenzen bei den Kindern aufzubauen und zu sichern. In unserem Kompetenzraster haben wir festgelegt, was möglichst alle Schüler in einem bestimmten Bereich an Basiskompetenzen erlangen sollen, welche ergänzenden Kompetenzen von leistungsstarken Schülern erwartet werden und über welche sehr anspruchsvollen Kompetenzen einzelne Schüler evtl. noch verfügen. Genau dieses melden wir dann über den LEB den Schülern und Eltern zurück.

Wie sieht so ein LEB aus?

Auf jedem LEB sind durch Überschriften gruppiert die für das entsprechende Fach zentralen Kompetenzen aufgetragen. Daneben ist – mit Bezug zum Kompetenzraster – angegeben, welcher Kompetenzstand erreicht ist. Das Besondere ist, dass es parallel dazu eine grafische Darstellung gibt, die fortgeschrieben wird. Das bedeutet, dass alle Kompetenzstände der vorherigen Halbjahre ebenfalls dargestellt sind. Es entsteht so eine Kurve, die die Kompetenzentwicklung des Kindes bezogen auf die einzelnen Bereiche eines Faches abbildet.
Zusätzlich gibt es auf jedem Fach-LEB noch einen Hinweis zur Weiterarbeit, der dem Schüler hilft im kom-menden Halbjahr Übungsschwerpunkte zu setzen.

Werden jedes Halbjahr alle Kompetenzen überprüft?

Es werden nur die Kompetenzen überprüft, die im Unterricht eines Halbjahres aufgebaut oder gesichert wurden. Nur diese werden dann auch in dem LEB ausgewiesen. So gibt es z.B. im Fach Sport zu dem Bereich „Laufen, Springen und Werfen“ nur dann eine Rückmeldung, wenn der Themenschwerpunkt des Halbjahres Leichtathletik war.

Weshalb gibt es an der IGS Lengede keine Ziffernnoten?

Wir verzichten – wie nahezu alle Gesamtschulen in Niedersachsen – bis Ende Klasse 8 vollständig auf Zif-fernnoten. Wir halten sie für wenig aussagekräftig. Ein Beispiel: Hat eine Schülerin z.B. im Fach Mathematik die Note 3, so könnte das bedeuten, dass ihre Leistungen in den Bereichen Bruchrechnung, Geometrie, Darstellen und Argumentieren mittelmäßig sind. Es könnte aber auch bedeuten, dass die Schülerin herausragend mathematisch argumentieren kann, jedoch nicht in der Lage ist, zwei einfachste Brüche zu addieren. Oder aber auch umgekehrt. Die Stärken und Schwächen eines Kindes – wir sprechen übrigens statt von Schwächen lieber von Entwicklungspotentialen – werden bei einer zusammenfassenden Note nicht deutlich. So erinnere ich mich z.B. an eine Fünftklässlerin, die als sie zu uns kam sehr große Schwächen in der Mathematik hatte. Ihr Lernstand entsprach dem eines Drittklässlers. In dem Bereich „Daten und Zufall“ zeigte sie jedoch als eine von zwei Schülern der Klasse Leistungen, die wir eigentlich erst ab Jahrgang 7 erwarten. Der umgekehrten Fall begegnet uns ebenfalls häufiger: Extrem leistungsstarke Schüler, die jedoch in einem Bereich eines Faches nicht einmal die Kompetenzstände aufweisen, die von einem Grundschüler erwartet werden. Diese zu erkennen ist Grundvoraussetzung für effiziente Förderung. Eine Ziffernnote könnte nie ein so differenziertes Bild liefern.

Woher wissen Lehrkräfte welche Kompetenzstände ein einzelnes Kind hat?

Ein wichtiger Teil unserer Lehrertätigkeit besteht darin, die Lernausgangslage der Schüler – ihre Kompe-tenzstände – zu ermitteln. Dazu führen wir zum einen gezielte und systematische Beobachtungen durch und dokumentieren diese. Zum anderen konzipieren wir Klassenarbeiten, deren Aufgaben so gestaltet sind, dass sie einen direkten Rückschluss auf den Kompetenzstand des Kindes ermöglichen. Klassenarbeiten enthalten daher bei uns weder Punkte noch Prozente oder Noten. Die Schüler bekommen zu jeder einzelnen Aufgabe eine vierstufige Rückmeldung über den Gelingensumfang der Aufgabenbearbeitung, beginnend bei „Gelingt dir noch nicht“ über „Darin bist du noch unsicher“ und „Gelingt dir recht gut“ bis zu „Gelingt dir sicher“. Zu jeder Aufgabe ist zusätzlich angegeben, welche Kompetenz überprüft wird, in welchen Bereich des Lernentwicklungsberichtes die Bewertung einfließt und welches Anforderungsniveau die Aufgabe hat. Sowohl die Kinder als auch die Eltern können so sehr genau erkennen, was der Schüler derzeit für Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse hat.

Hat diese Form der Leistungsbewertung auch Auswirkungen auf den Unterricht?

Wir sprechen ungern von Leistungsbewertung. Wir sprechen lieber von Kompetenzstands­fest­stellung oder Ermittlung und Abbildung von Lernständen. Es geht uns in den Jahrgängen 5 bis 8 nicht primär um Bewertung sondern um die Unterstützung von Lernprozessen. Die Lernentwicklungsberichte stellen diesbezüglich eine entscheidende Hilfestellung für Lehrer, Schüler und Eltern dar.

Schulstruktur, Unterricht, Klassenarbeiten sowie Lernentwicklungsberichte müssen selbstverständlich aufeinander abgestimmt sein. Dieses ist eine Grundvoraussetzung für ein effizientes und nachhaltiges Lehren und Lernen an einer Schule.

Die Planung von Unterricht beginnt an der IGS Lengede mit der Festlegung der Kompetenzen, die in einer Unterrichtseinheit aufgebaut und gesichert werden sollen. Es wird die Zeit festgelegt, die dafür benötigt wird bzw. die zur Verfügung steht. Dann werden Aufgaben für die Klassenarbeit entwickelt, mit denen die entsprechenden Kompetenzstände am Ende der Unterrichtseinheit überprüft werden sollen. Anschließend wird der methodische Verlauf der Unterrichtseinheit mit der Wahl der Medien und der Auswahl oder Erstellung der Aufgaben festgelegt. Unter anderem werden für jede Unterrichtseinheit Arbeitspläne für die Schüler zusammengestellt. Diese werden in der täglich stattfindenden Stunde des Eigenverantwortlichen Lernens – ein zentrales Element an Integrierten Gesamtschulen – bearbeitet. Die Aufgabenblätter enthalten Aufgaben unterschiedlichen Niveaus. Es gibt Basisaufgaben, die von allen zu bearbeiten sind, Wahlaufgaben, die nach Interesse, Sozialform oder Schwierigkeit gewählt werden dürfen, sowie Individualaufgaben für einzelne Schüler. Diese Arbeitspläne sind ein Garant dafür, dass sowohl leistungsschwache Schüler als auch leistungsstarke Kinder von ihrem derzeitigen Lernstand ausgehend gefördert werden.

An den Planungen sind grundsätzlich alle Lehrkräfte eines Jahrgangs, die das entsprechende Fach unterrichten, beteiligt. Hierfür steht pro Fach eine wöchentliche Planungsstunde zur Verfügung.

Wie schafft es die Lehrkraft, das einzelne Kind bestmöglich zu fördern?

Kinder dauerhaft zu überfordern oder zu unterfordern ist eine der größten Sünden unseres Bildungssys-tems. In beiden Fällen vergeuden wir wertvolle Lebenszeit junger Menschen. Zwei Beispiele: Wenn in einer Übungsstunde im Fach Englisch bei allen Schüler einer Klasse über 15 Minuten der Umgang mit den wichtigsten Fragewörter gesichert werden soll, dann ist die Aufgabe für ein Kind, das diese Fragewörter bereits aktiv in unterschiedlichen Kontexten anwendet, verschwendete Zeit. Es lernt nichts dazu. Ein zweites Beispiel: Ein Schüler, der keine Vorstellungen von negativen Zahlen hat, wird durch das Rechnen mit ihnen kaum einen Lernerfolg erzielen.
Kinder müssen daher entweder unterschiedliche Aufgaben angeboten werden – z.B. im Rahmen der Stunden des Eigenverantwortlichen Lernens – oder aber es muss durch kooperatives Lernens ein Helfersystem aufgebaut sein. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl leistungsschwächere als auch leistungsstärkere Kinder von einem Schüler-Helfersystem profitieren.
Eine individuelle Förderung gelingt auch dann besonders gut, wenn eine weitere Lehrkraft im Unterricht mitwirkt. Ab Jahrgang 5 stehen an der IGS Lengede im Rahmen des Eigenverantwortlichen Lernens für 5 Klassen 6 Lehrkräfte zur Verfügung. Ab Jahrgang 7 findet in einigen Fächern ein Mal pro Woche eine Dop-pelbesetzung statt. Die zweite Lehrkraft unterstützt dann Kleingruppen besonders leistungsschwacher oder leistungsstarker Kinder und Jugendlicher.
Durch die sehr detaillierte Analyse und Abbildung der Kompetenzstände bekommt die Lehrkraft einen anschaulichen und differenzierten Überblick darüber, in welchen Bereichen eine Förderung notwendig ist.

Werden Kinder mit besonderem Förderbedarf ebenfalls den gleichen LEB erhalten?

Ab kommendem Schuljahr wird an allen niedersächsischen Schulen die UN-Behinderten¬rechts¬kon¬ven¬tion umgesetzt. Das bedeutet, dass z.B. Schüler mit einem Förderbedarf Lernen i.d.R. nicht mehr eine Förder-schule besuchen sondern eine Regelschule ihrer Wahl. Bereits heute haben wir einige dieser Kinder an unserer Schule. Sie erhalten in den Bereichen, in denen sie die für die Jahrgangsstufe zu erwartenden Basiskompetenzen erreichen, eine Rückmeldung wie alle anderen Schüler auch. In den Bereichen, in denen diese Kinder besondere Schwierigkeiten haben, werden die LEBs dahingehend angepasst, dass dem Kind rückgemeldet wird, was es bereits kann. Z.B.: „Du kannst im Zahlenraum bis 100 rechnen.“